Mit dem Objektlabor
wird die Humboldt-Universität 2019 eine innovative
Forschungseinrichtung in Betrieb nehmen, mit der unterschiedlichste
materielle Dinge und Sammlungen interdisziplinär und angewandt
untersucht werden können. Besucher_innen des Tieranatomisches Theaters
können bereits einen ersten Blick auf dieses Projekt werfen und
Wissenschaftler_innen und Künstler_innen des Exzellenzclusters »Bild
Wissen Gestaltung« bei der Arbeit über die Schulter schauen und mit
ihnen ins Gespräch kommen. Im Temporären Objektlabor wird ab
Oktober an Objekten der Sammlungen der Humboldt-Universität zu Berlin
und des Museums für Naturkunde öffentlich geforscht.
Um 17 Uhr am 5. Oktober hält die Professorin für Konservierung
und Restaurierung, Prof. Dr. Ruth Keller (HTW Berlin), einen Vortrag unter
dem Titel Wege und Wandel des Mediums Papier: Technologie und
Erhaltung. Keller thematisiert das wissenschaftliche Medium par
excellence: Papier als technisches, historisch wandelbares und
eigenwilliges Ding. Um 18 Uhr stellt sich das Temporäre Objektlabor vor.
Die beteiligten Wissenschaftler_innen und Laborator_innen sind offen
für Fragen und Anregungen. Besucher_innen können die eigens entworfene
Arbeitsumgebung erstmals besichtigen.
Stellen
Gesteine und Mineralien ‚steinerne Argumente‘ für die Entstehung der
Erde dar? Im sogenannten Basaltstreit, vergleichbar mit der
Kopernikanischen Wende, debattierten Gelehrte der Goethezeit diese
Frage. Heute erforscht die Historikerin Angela Strauß
die Mineralien- und Gesteinssammlung des Arztes und Mineralogen Carl
Wilhelm Nose (1753–1835) aus der mineralogisch-petrographischen Sammlung
des Museums für Naturkunde.
In der sogenannten Tatbestandsdiagnostik wurde zwischen den Weltkriegen unter Psychologen, Kriminologen und Juristen verhandelt, inwiefern die Bewertungen von Zeugen- und Verhöraussagen technisch realisierbar und damit objektivierbar sind und wie sie letztendlich die Entscheidung zwischen Lüge und Wahrheit beeinflussen. Denn mit der Technisierung der Aussagen geht ein Bedeutungsverlust menschlicher Entscheider, wie die des Richters, in einem Strafprozess einher. Im Temporären Objektlabor baut der Medienwissenschaftler Sebastian Döring historische Versuche zur Tatbestandsdiagnostik auf.
Der Künstler Oliver Thie nutzt zeichnerische Praktiken, um mit den Dingen in Dialog zu treten. Steine aus der Sammlung des Naturkundemuseums unterzieht er einer intensiven Analyse, um sie bildnerisch mit den historischen Fundberichten des Sammlers ins Verhältnis zu setzen. Indem er Materialien einsetzt, die auch auf den ‚Selbstschreibern‘ zur Tatbestandsdiagnostik genutzt wurden, versucht er die Perspektiven und Projekte der Wissenschaftler_innen medial zu verknüpfen.
In der
Tradition der Kulturtechnikforschung im Hermann von Helmholtz-Zentrum
für Kulturtechnik versuchen die wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen im Temporären Objektlabor ein Problembewusstsein für den Zwischenraum der Übersetzung zwischen Wahrnehmung und Projektion zu schaffen. Im Temporären Objektlabor
werden neben der Projektarbeit, begleitenden Vorlesungen und Seminaren
weitere Veranstaltungen stattfinden wie Workshops und öffentliche
Restaurierungen.